Szenische Darstellung von Spannung

Ausgangsfrage eines Schülers:

Was ist denn der Unterschied zwischen Strom und Spannung? 

 

Diese Frage verführt mich normalerweise, alles nochmal zu wiederholen. Weil der Unterschied halt so wichtig ist, sogar lebenswichtig!!

Aber nein, diesmal nicht. Ich schlug vor, sie selbst die Antwort finden zu lassen. Ohne mit der gefährlichen Elektrizität in Berührung zu kommen.

Zusammenfassung:

Schüler setzen ihre Ideen vom Begriff „Spannung“ in szenischen Darstellungen um. Sie verwenden dazu Körper, Hände, Füße und Stimme. Phantasie und vor allem Mut ist gefragt, wenn sie vor Zuschauern ihr Ergebnis vorstellen.

Abstract:

 Students construct the meaning of "voltage" with their bodies. In the German language the word for "voltage" or "electric tension" is "tension".

Die Lerngruppe

Die Auszubildenden der 10IE3 der Elektrotechnischen Berufsschule sind im Schuljahr 2003/04 im ersten Lehrjahr der Berufe Elektroniker/innen für Geräte und Systeme (Industrie) und Informations­elektroniker/innen (Handwerk), beides duale Ausbildungen.
Sie besuchen an zwei Tagen der Woche eine Berufsschule für Elektrotechnik.
Die Lerngruppe besteht aus zwei Frauen und 23 Männern im Alter zwischen 16 und 21 Jahren. Das Lernfeld 1 (Elektrotechnische Systeme analysieren und Funktionen prüfen) in dem der Begriff Spannung sehr genau gekannt und beherrscht werden muss, wird vier Stunden in einem Block pro Woche unterrichtet.
 
Die Ausgangsfrage
Der Anlass für die Darstellung des Spannungsbegriffs ergab sich aus der Fragestellung der Schüler, was denn der Unterschied zwischen Strom und Spannung sei. In der weiteren Beschreibung beschränke ich mich auf den Begriff „Spannung“. In ähnlicher Form wurde der Begriff „Strom“ betrachtet. Dies wird der Leser selbst assoziieren können, nachdem der Text zur Spannung gelesen wurde.
 
Die Methode
Ich wählte zur Erklärung nicht Worte und Tafelbild, sondern psychodramatische Elemente.  Hierzu gehören die Soziometrie, auch bekannt unter dem Begriff „Aufstellung“ und szenische Darstellungen, wie Vignette und Skulptur.  Das Psychodrama wird vor allem im therapeutischen Bereich angewendet. Mittlerweile hat sich eine eigene Fachrichtung für die Erwachsenenbildung und die Schule entwickelt.
Mit Methoden des Psychodramas können reale und/oder abstrakte, sogar irreale Dinge und Ereignisse auf einer Bühne dargestellt werden. Diese können mit einander agieren und zu neuen Ergebnissen und Erkenntnissen führen. Die Schüler bewegen sich frei auf der Bühne vor den Zuschauern. Mut, Kreativität und Spontanität wird gefördert, Eigenschaften, die im Frontalunterricht verloren gehen. Da nur wenige Rahmenbedingungen existieren, z.B. gibt es keine fest umrissenen Rollen, bleibt es der Phantasie der Darsteller überlassen, wie sie handeln wollen. Je stärker die Darsteller ins eigene Spiel kommen, je unbefangener werden sie, was sich positiv auf den gesamten auch anschließenden Unterricht auswirkt.
 
Die Aufgabenstellung:
Stellt den Begriff „Spannung“ mit eurem Körper, mit Händen, mit Füßen, mit der Stimme dar. Denkt euch dazu eine Figur, oder eine Bewegung aus, die eurer Vorstellung von „Spannung“ am nächsten kommt. Der Begriff kann sehr alltäglich dargestellt werden, es gibt nichts, was falsch ist.
 
Von der Klasse hatten 12 Schüler den Mut, sich auf das Risiko einzulassen und sich über den Begriff Spannung mal anders Gedanken zu machen. Sie bildeten drei gleichgroße Gruppen. Diese zogen sich für 15 Minuten zurück. Anschließend präsentierten sie ihre Ergebnisse auf der Bühne vor der Tafel.
 
Die Lösungen:
Gruppe 1:
Die vier Schüler stellten sich in eine Reihe und hoben ihre beiden Arme hoch. Die Spannung war in den Armen zu spüren.
                 
                    (Bild: Spannung1)
 
Gruppe 2:
Die vier Schüler stellten sich mit dem Gesicht zueinander in einen Kreis, packten sich an den Händen und ließen sich nach hinten fallen. In ihren Händen und Armen war Spannung zu spüren.
                     
(Bild: Spannung2)
 
Gruppe 3
Die vier Schüler holten sich einen Tisch auf die Bühne. Sie stützen Ellenbogen oder Hände auf den Tisch und stemmten sie mit Spannung, so fest sie konnten, dagegen. Dabei „verspannte“ sich sogar ihr Gesicht.
                   
(Bild: Spannung3)
Die szenischen Darstellungen dauerten insgesamt ca. 20 Minuten.
 
Die Zuschauer
Sie waren aufmerksam dabei, beobachteten interessiert das Geschehen und kommentierten die Aktionen.  
Der Begriff „Spannung“ wurde von den Darstellern und Zuschauern miterlebt und in seinen verschiedenen vorgestellten Varianten kontrovers diskutiert.
Ich beobachtete, dass die aufmerksame Beobachtung des Unterrichts zunahm. Bewegung, Lachen und . Sonst war die Klasse eher ruhig und zurückhaltend.
 
Welche Erkenntnis wurde gewonnen?
"Spannung" ist ein statisches Phenomen im Gegensatz zu "Strom", der sich durch den Leiter schlängelt.
 
Die Schwierigkeiten und die Folgen ihrer Überwindung
Bei der ersten Zusammenstellung der Gruppen spürte ich Verunsicherung und Zögern. Wie, jetzt in Elektrotechnik bewegen?? Ich verwies sie auf den Sportunterricht, in dem auch „Bewegung“ stattfindet. Nachdem dies geklärt war, brach das Eis. Bei folgenden psychodramatischen Darstellungen wurde nun nicht mehr das „Ob“ in Frage gestellt.
Aber das „Wie“ führte zum „Krummeln im Bauch“. Es stellte sich heraus, dass die anfängliche Scheu aus der Befürchtung erwuchs, nicht die „richtige“ Idee zu finden. Als aber die Gruppen ihre Ideen vorgestellt hatten, waren alle froh diesen Schritt unternommen zu haben. Ein ähnlicher Effekt, wie nach einem gewonnenen Ballspiel, oder einer bestandenen Prüfung.
Schüler, die eher Kommunikationsprobleme innerhalb der Klasse hatten und deshalb eigene peer groups bildeten, engagierten sich mehr als sonst. Bewegung war ihr Ding. Dies beobachten ich auch in ihrer Kommunikation untereinander. Die szenische Darstellung löste hier ein Teil ihrer inneren „Spannung“; die Verbindung zur Klasse als Gruppe war hergestellt.

Weitere szenische Darstellungen:
Der Begriff „Strom“
Das elektrische Feld in einem Kondensator
 
Elektronen im Nichtleiter
Elektronenstrom im metallischen Leiter bei angelegter Spannung